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General
„Schutzkonzepte in der ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ – Entwicklung einer Informations- und Fortbildungsplattform
Das Ehrenamt ermöglicht Kindern und Jugendlichen, ihre Interessen in einem geschützten Raum selbst zu gestalten und frei auszuleben. Daher ist es umso wichtiger, dass sie dort vor (sexualisierter) Gewalt geschützt werden.
Ziel des Projektes „Schutzkonzepte in der ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ ist die Entwicklung einer Online-Lernplattform zum Themenkomplex Schutzkonzepte gegen (sexualisierte) Gewalt im Ehrenamt. Auf der Plattform werden verschiedene Lern- und Informationsangebote für Haupt- und Ehrenamtliche zur Verfügung gestellt. Den Teilnehmenden sollen vertiefende Informationen und praktische Kompetenzen zur Umsetzung von Schutzkonzepten im ehrenamtlichen Bereich sowie zur Sensibilisierung für Gefährdungsfaktoren vermittelt werden, um (sexueller) Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorzubeugen und Betroffene adäquat unterstützen zu können. Fokussiert werden insbesondere die drei Ehrenamtsbereiche Sport, Jugendverbandsarbeit sowie kulturelle Kinder- und Jugendbildung.
Inhalte der Lernangebote sind der Schutz vor (sexueller) Gewalt in ehrenamtlichen Strukturen und der Umgang mit einem (Verdachts-) Fall von (sexueller) Gewalt, Vernachlässigung oder Misshandlung. Zur Vermittlung der Lerninhalte stehen u. a. Textmaterialien, Videoclips, Audios, Animationen oder Comics zur Verfügung.
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von der Klinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Ulm in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln umgesetzt.Die Anmeldung zur kostenfreien Nutzung des Angebotes ist unter https://engagement-schutzkonzepte.elearning-kinderschutz.de/ möglich.
Hilfe und Unterstützungsangebote bei Gewalt gegen Frauen und Kinder
Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlandes stellt Infoflyer zu den saarländischen Hilfe- und Unterstützungsangeboten bei Gewalt gegen Frauen und Kinder zur Verfügung – in Deutsch, Russisch und Ukrainisch:
- Flyer Gewaltfrei (alle drei Sprachen) (PDF)
- Flyer Russisch (PDF)
- FlyerUkrainisch (PDF)
Informationsmaterial zu Gefahren des Menschenhandels und Unterstützungsmöglichkeiten für Flüchtende
Der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel (KOK) e.V. hat Infomaterial zu Gefahren des Menschenhandels und Unterstützungsmöglichkeiten für Flüchtende aus der Ukraine bereitgestellt, z. B. den Flyer „Seien Sie sicher unterwegs“:
Weitere Infos und Materialien (in verschiedenen Sprachen) finden Sie auf der Webseite des KOK unter https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/startseite
Anforderungen an Hilfen für den Einsatz in Kinderschutzfällen – Konzepte und Hilfeplanung im Kinderschutz
Am 29./30. November 2021 fand das 4. Fachgespräch Kinderschutz des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) zum Thema „Anforderungen an Hilfen für den Einsatz in Kinderschutzfällen – Konzepte und Hilfeplanung im Kinderschutz“ online statt. Rund 70 Expert*innen diskutierten über die Anforderungen an ambulante Hilfen für den Einsatz in Gefährdungsfällen. Ausgehend von fünf Impulsvorträgen von Dr. Stefanie Albus, Prof. Dr. Michael Macsenaere, Prof. Jane Barlow, Prof. Dr. Heinz Kindler und Christine Gerber wurden sechs Schwerpunktthemen für die Weiterentwicklung im Kinderschutz herausgearbeitet:
- Diagnostik und Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfe
- Anforderungen an die Hilfe, Ausgestaltung der Hilfeprozesse und Maßstäbe für den Erfolg
- Qualifikation und Unterstützung der Fachkräfte für die Arbeit mit Familien in Gefährdungsfällen
- Hilfeerbringung als gemeinsamer Prozess zwischen öffentlichen, freien Trägern sowie anderen Professionen und Institutionen
- Soziale Infrastruktur – Bereitstellung von Hilfen im Kinderschutz
- Kinder als Hilfeadressaten – Anforderungen an Hilfeverläufe und die soziale Infrastruktur im Kinderschutz aus der Perspektive der Kinder
Hier stellt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen die Folien der Vorträge und einen ausführlichen Bericht zur Veranstaltung zur Verfügung und berichtet über Details zu den Weiterentwicklungsbedarfen.
Mit Kindern über Krieg sprechen und ihnen nach der Krise helfen
Die aktuelle Situation in der Ukraine hat in den Menschen viele Emotionen hervorgerufen, Medien und soziale Netzwerke sind voll von Nachrichten über den Krieg und seine Folgen. Sowohl Bezugspersonen als auch Kinder können Schwierigkeiten haben, das Gesehene und Gehörte zu verstehen. Das Universitätsklinikum Ulm hat deshalb wertvolle Informationen des „The National Child Traumatic Stress Network“ aufbereitet und stellt diese in deutscher, ukrainischer und russischer Übersetzung zur Verfügung. Behandelt werden Fragen wie: Wie kann man mit Kindern über den Krieg sprechen? Wie kann man Kindern nach der Krise heilen helfen? Was sind altersentsprechende Traumasymptome?
Mit Kindern über Krieg sprechen
- Englisches Original (PDF)
- Deutsche Übersetzung (PDF)
- Ukrainische Übersetzung (PDF)
- Russische Übersetzung (PDF)
Nach der Krise: Kinder heilen helfen
- Englisches Original (PDF)
- Deutsche Übersetzung (PDF)
- Ukrainische Übersetzung (PDF)
- Russische Übersetzung (PDF)
Altersentsprechende Traumasymptome
- Englisches Original (PDF)
- Deutsche Übersetzung (PDF)
- Ukrainische Übersetzung (PDF)
- Russische Übersetzung (PDF)
Weitere Infos finden Sie hier.
- Genitalverstümmelung stoppen und als Asylgrund anerkennen – Pressemitteilung zum Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Die Verstümmelung weiblicher Genitalien ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Die Beratungsstellen der verbandlichen Caritas erleben seit Jahren, mit welch dramatischen Folgen diese Eingriffe verbunden sind. Präventive Angebote, Beratung und medizinische Unterstützung für Mädchen und Frauen in Deutschland sind jedoch noch auszubauen. Zum Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung am 6. Februar veröffentlichten der Deutsche Caritasverband, IN VIA Deutschland und der Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein (SkF) nun eine gemeinsame Pressemitteilung.
Die vollständige Pressmitteilung ist hier zu finden. Eine ausführliche Positionierung von DCV, IN VIA und SkF zur Bekämpfung von Genitalverstümmelung finden Sie hier.
Saarlandweit Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien implementiert – betroffene Kinder und Jugendliche stärken und fördern
Dr. Lieselotte Simon-Stolz, Corinna Oswald, Janina Mees
Nach konservativen Schätzungen wächst in Deutschland etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen mit mindestens einem Elternteil auf, der während des Elternseins an einer psychischen und Suchterkrankung leidet. Mit diesen elterlichen Erkrankungen gehen häufig vielfältige psychosoziale Belastungen für die ganze Familie, ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsprobleme der betroffenen Kinder und Jugendlichen, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko der Kinder und Jugendlichen bezüglich körperlicher, psychosomatischer, psychischer oder Sucht-Erkrankungen und ein erhöhtes Risiko für eine Kindeswohlgefährdung einher.
Von daher stellen Familiensysteme mit einem psychisch und suchtkranken Elternteil eine bedeutende Zielgruppe für den präventiven Kinderschutz dar.
Im Saarland wird seit dem 01.01.2021 in jedem Landkreis des Saarlandes ein vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gefördertes präventives und resilienzförderndes Angebot für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien nach dem bewährten, seit 2006 existierenden Vorbild „Wiesel“ des Caritasverbandes Schaumberg-Blies e.V. vorgehalten. Die Angebote umfassen fortlaufende altershomogene Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche, im Bedarfsfalle auch Einzelberatungen in Form von zeitlich terminierten Kurzzeitinterventionen oder fortlaufenden Gesprächen. Parallel zu den Gruppenangeboten werden auch Beratungen in Form von Einzelgesprächen für Eltern und Fachkräfte angeboten.
Nachfolgend finden Sie die Flyer der einzelnen Angebote sowie eine tabellarische Auflistung der Angebote in den einzelnen Landkreisen.
· Übersicht „Angebote für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien im Saarland – einzelne Landkreise“ (PDF)
· Flyer „Löwenzahn – Ein Präventionsangebot für Kinder und Jugendliche“ (PDF)
· Flyer „Wiesel – Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien (Kinder)“ (PDF)
· Flyer „Mogli – Kinder mit psychisch erkrankten und suchtbelasteten Eltern“ (PDF)
· Flyer „Wiesel – Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien (Jugendliche)“ (PDF)
· Flyer „Wiesel - Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien und Lebensgemeinschaften“ – Saarhochwald (PDF)
· Flyer „Wiesel - Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien und Lebenspartnerschaften“ – Saarpfalzkreis (PDF)
Neue Erkenntnisse zu sexuellem Kindesmissbrauch durch Frauen
Bei sexuellem Kindesmissbrauch wird in der Regel von männlichen Tätern ausgegangen. Dass auch Frauen ein sexuelles Interesse an Kindern haben können und sexualisierte Gewalt ausüben können, ist ein gesellschaftliches Tabu. Auch in der Wissenschaft und der klinischen Praxis wurde dieses Thema bisher kaum beachtet. Dies führt zu einem Mangel an Wissen, welches für die Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs und die Versorgung betroffener Menschen dringend notwendig ist.
Ein Forschungsprojekt des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das mit Mitteln der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs finanziert wurde, will die Wissenslücken schließen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen auf, dass auch Frauen sexualisierte Gewalt an Kindern ausüben. Die Mehrheit der Personen, die von sexuellem Kindesmissbrauch durch Frauen betroffen sind, berichtete davon, dass die sexualisierte Gewalt in der frühen Kindheit begann und über mehrere Jahre andauerte. Häufig wurde die Gewalt von Personen aus dem Familienkreis der Betroffenen ausgeübt. In den meisten Fällen war die eigene Mutter die Täterin. Die beschriebenen sexuellen Handlungen zeigen eine große Bandbreite, die bis hin zu schwerer sexualisierter Gewalt im Kontext der organisierten Kriminalität reicht. Viele der Betroffenen leiden unter posttraumatischen Belastungssymptomen. Die psychischen Folgen des sexuellen Kindesmissbrauchs werden zudem durch Stigmatisierungsprozesse verstärkt.
Aus den Erkenntnissen des Forschungsprojekts ergeben sich Empfehlungen für die weitere Forschung, Prävention und Versorgung. Die beteiligten Wissenschaftler*innen fordern daher, der Tabuisierung sexueller Gewalt durch Frauen entgegenzuwirken. Dies könne durch weiteres Wissen aus der Forschung, durch Aufklärung der Öffentlichkeit und durch Fortbildung von Fachpersonen aus pädagogischen, psychosozialen und medizinischen Einrichtungen sowie bei der Polizei und in der Justiz gelingen.
Weitere Informationen zu dem Forschungsprojekt „Sexueller Kindesmissbrauch durch Frauen“ gibt es hier. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse steht hier zum Download zur Verfügung.
Neuer Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für Strafverfahren
Dem Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen gehören Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft, Betroffene sowie Verantwortliche aus der Zivilgesellschaft und der Fachpraxis an. Vorsitzende des Nationalen Rats sind Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht und Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Seit Dezember 2019 arbeitet der Nationale Rat mit insgesamt etwa 300 Mitwirkenden in fünf thematischen Arbeitsgruppen: „ Schutz“, „ Hilfen“, „ Kindgerechte Justiz“, „ Schutz vor Ausbeutung und internationale Kooperation“ sowie „Forschung und Wissenschaft“. Erste Ergebnisse wurden im Juni 2021 in einer „Gemeinsamen Verständigung“ veröffentlicht.
Jüngst stellten Mitglieder des Nationalen Rats den gemeinsam entwickelten „Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das Strafverfahren“ in einem Gespräch der Justizministerkonferenz vor. Der neue Praxisleitfaden richtet sich an Polizist*innen, Staatsanwält*innen, Ermittlungsrichter*innen sowie Spruchrichter*innen.
Der „Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das Strafverfahren“ ist hier abrufbar.
„Prävention und Intervention bei innerinstitutionellem sexuellem Missbrauch. Rechte und Pflichten der Institutionen“ – neue Expertise des UBSKM
Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF) hat im Auftrag des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) eine neue Expertise erstellt. Der Titel ist „Prävention und Intervention bei innerinstitutionellem sexuellem Missbrauch. Rechte und Pflichten der Institutionen“. Die Expertise zeigt anhand der rechtlichen Rahmenbedingungen praxisorientiert, was eine Einrichtung tun kann/muss, um sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen besser zu verhindern bzw. mit sexueller Gewalt in der Einrichtung angemessen umzugehen. Im Fokus stehen u.a. folgende Fragen:
- Unter welchen Voraussetzungen sind die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten?
- Welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten stehen den Verantwortlichen im Falle des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs durch Mitarbeitende zur Verfügung?
- Wie kann Prävention bereits im Rahmen der Personalauswahl berücksichtigt werden?
Informationen zu diesen sowie weiteren Themen können gezielt in übersichtlich strukturierten Abschnitten nachgelesen werden. Dabei werden Besonderheiten der einzelnen Bereiche (Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Kirche, Sport und Gesundheit) berücksichtigt.
Aufarbeitungskommission veröffentlicht Studie zu sexuellem Kindesmissbrauch in der Familie
Die Familie genießt als privater Raum einen besonderen gesetzlichen Schutz. Für Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt in der Familie erleben, kann dieser Schutz zum Verhängnis werden. Das zeigt eine jüngst veröffentlichte Studie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Denn ein zentrales Merkmal von Familie als Tatkontext ist die Möglichkeit der Täter:innen, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten und so einem betroffenen Kind alle Auswege aus der Gewalt zu versperren. Die Ergebnisse der Studie zeigen neben dem Spezifischen des sexuellen Kindesmissbrauchs in der Familie auch die Verantwortung der Gesellschaft für Hilfe und Aufarbeitung in diesem Tatkontext auf.
Die Studie ist online zum Download verfügbar. Die Pressemitteilung zur Vorstellung der Studienergebnisse ist hier zu finden.
Neue Publikation des BMFSFJ zum Thema „Kindschaftssachen und häusliche Gewalt“ erschien
Die Fortbildungsbroschüre „Kindschaftssachen und häusliche Gewalt“ ist im Rahmen des Projektes „Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt – ein interdisziplinärer Online-Kurs“ entstanden, das seit 2019 mit Mitteln des Bundesförderprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ finanziert wird. Ziel des Projektes ist, einen Online-Fortbildungskurs für alle Fachkräfte zu entwickeln, die im Themenbereich häusliche Gewalt tätig sind und die insbesondere auch an der Schnittstelle von Gewaltschutz und Kinderschutz arbeiten (weitere Informationen zum Projekt und zum Online-Kurs finden Sie hier.
Die Publikation möchte das Bewusstsein von Fachkräften schärfen, dass und wie der Schutz der Betroffenen bei der Regelung des Umgangs und der elterlichen Sorge bei Vorliegen von häuslicher Gewalt konsequent sicherzustellen ist und Wissen und Anregungen für die Rechtsanwendung in der Praxis in solchen Fällen bereitstellen. Der Schutz von Gewaltbetroffenen ist nicht zuletzt auch im Sinne des Kindeswohls vorrangig geboten.
Druckexemplare der Publikation sowie die digitale Fassung kann auf der Webseite des BMFSFJ oder hier bestellt bzw. aufgerufen werden.
„Wenn ist, was nicht sein darf“: Sexuelle Gewalt – Umgang mit Vermutung
Dieser Text bietet eine Rückschau auf die Fortbildungs-Veranstaltung „Sexuelle Gewalt – Umgang mit Vermutung“ am 30.10.2019. Organisiert wurde sie von der Psychotherapeutenkammer und der Ärztekammer des Saarlandes. Thematisiert wurden u.a. die Kultur des Wegschauens in unserer Gesellschaft, die Notwendigkeit eines neuen Umgangs mit Verdacht, Fehlverhalten und Grenzüberschreitungen sowie der große Bedarf an Schutzkonzepten in allen Einrichtungen, die mit Kindern arbeiten. Auch knapp zwei Jahre nach der Veranstaltungen sind viele der angeschnittenen Themen noch aktuell…
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Am 30.10.2019 fand eine gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Psychotherapeutenkammer (PKS) und der Ärztekammer (ÄKS) des Saarlandes mit 108 Teilnehmenden zum Thema „Sexuelle Gewalt – Umgang mit Vermutung“ statt. Für den Vorstand der PKS begrüßte Irmgard Jochum und für den Vorstand der ÄKS San.-Rat Dr. med. Josef Mischo die Teilnehmenden. Einleitend stellten die Vorstände der beiden Kammern zum Thema „Sexuelle Gewalt“ Folgendes fest:
Wenn nur etwa 20% aller Kliniken bundesweit ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt umgesetzt haben, dann gibt es klar und deutlich erkennbare Lücken in der Prävention –und die gilt es zu schließen. Was gebraucht wird, sind verbindliche und gesetzlich verpflichtende Schutzkonzepte gegen jegliche Form von Gewalt in Institutionen.
Schutzkonzepte sind bisher nur in Kitas und in Jugendhilfeeinrichtungen verpflichtend. Diese werden auch in Kliniken, in Bildungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie in der Behindertenhilfe benötigt, denn auch hier existiert ein erhebliches Gefährdungspotential.
Die Vorstände der beiden Kammern stellten zudem fest, dass wichtige Aspekte weit über den Kontext der Veranstaltung hinausweisen: Es geht auch um den Umgang mit Fehlern, um die Fehlerkultur in Organisationen und Betrieben, aber auch in unserer Gesellschaft; es geht um die Kultur des Wegschauens. Es wird dringend ein neuer Umgang mit Verdacht, mit Vermutung, mit Fehlverhalten, Grenzüberschreitungen und mit Gewalt in welcher Form auch immer, benötigt. Viel zu häufig wird auf Fehlverhalten mit Demütigungen, mit Verletzung der psychischen Integrität oder mit Drohungen reagiert; viel zu häufig ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, plötzlich im Mittelpunkt eines Shitstorms zu stehen als die Chance, eine angemessene Beratung, schnelle Unterstützung oder andere Schutz- und Hilfsmaßnahmen zu erhalten.
Solange das aber so ist, muss man sich über Konsequenzen, wie Schweigen, ängstliches Wegschauen und Vertuschen nicht wundern. Festgestellt werden muss auch, dass jede Form des sexuellen Missbrauchs strukturelle Macht, Machtmissbrauch und Abhängig- keitsverhältnisse voraussetzt. Der destruktive Umgang mit Macht und mit Fehlern ist ein großes und sehr ernst zu nehmendes gesellschaftliches Thema, dem es sich auf vielen Ebenen dringend näher zu widmen gilt. Ärzte- und Psychotherapeutenkammer werden sich gemeinsam dieser Aufgabe stellen.
Psychotherapeutenkammer und Ärztekammer bieten bereits seit vielen Jahren Veranstaltungen zum Kinderschutz an. Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sind in zahlreichen Gremien zu diesem Thema vertreten und selbst aktiv in der Bildung von Netzwerken und Kommunikationsplattformen. Die Ärztekammer ist besonders mit ihrem Arbeitskreis „Hilfe gegen Gewalt“ engagiert und gibt auf ihrer Homepage wertvolle Hinweise. Die Psychotherapeutenkammer ist Ansprechpartner für gute und schnelle psychotherapeutische Versorgung von betroffenen Kindern und deren Angehörigen.
Die Vizepräsidentin Frau Münnich-Hessel stellte den Referenten vor und moderierte den Vortrag und die anschließende Diskussion. Als Referent wurde der in Saarbrücken niedergelassene Psychologische Psychotherapeut Udo Weber gewonnen. Herr Weber ist seit 2016 in eigener Praxis niedergelassen. Davor war er 13 Jahre als Mitarbeiter und Teamleiter in der Beratungsstelle PHOENIX – Beratung gegen sexuelle Ausbeutung von Jungen – der Arbeiterwohlfahrt tätig. Er bietet Supervision und Fortbildungen zu diesem Themenbereich an.
In seinem Vortrag „Wenn ist, was nicht sein darf. Sexuelle Gewalt – Umgang mit Vermutung“ präsentierte Udo Weber zu Beginn interessante Fallbeispiele und definierte die Begrifflichkeiten „Sexueller Missbrauch und Sexuelle Gewalt“. Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist eine Form von Gewalt, die häufig vorkommt und dies in jeder Alters- stufe und jedem sozialen Milieu. Sexuelle Gewalt bedeutet, dass Erwachsene oder ältere Jugendliche die Arglosigkeit, das Vertrauen und die Abhängigkeit eines Kindes zur Befriedigung eigener Bedürfnisse benutzen. Damit beginnt für die Betroffenen häufig ein jahrelanger Leidensweg.
Hinweise in der alltäglichen Praxis, die erlebte sexuelle Gewalt vermuten lassen, lösen bei Kolleg*innen nicht selten Betroffenheit, Unsicherheit und viele Fragen aus. Der Referent zeigte auf, welche Symptome, welche Wortwahl und welche Reaktionsmuster das Vorliegen eines sexuellen Missbrauchs vermuten lassen. Anschließend betrachtete Herr Weber typische Täterstrategien, die bei Kindern zu einer massiven Belastung und zur Geheimhaltung führen.
Er zeigte auf, wie das strategische Vorgehen der Täter Ängste, Zweifel an der eigenen Wahrnehmung, Scham- und Schuldgefühle auslöst und welche nachhaltig massiven Auswirkungen diese haben können. Um sich dem Thema der Vermutung zu nähern, beleuchtete der Referent in einem ersten Schritt die verschiedenen Anlässe, die zu einer Vermutung führen können. Er unterschied geplante von ungeplanten Gesprächskonstellationen und thematisierte grundlegende Standards in der Gesprächsführung.
Dabei richtete er einen besonderen Fokus auf die Bedeutung der Vorabannahmen und die Bedeutung der Suggestion für eine gelingende Aufklärung einer Vermutung. Er betonte wie wichtig es ist, diesen Hinweisen besonnen und ruhig nachzugehen. Keinesfalls darf das betroffene Kind zu Aussagen gedrängt werden. Das weitere Gespräch muss unbedingt vermeiden, Schuldgefühle zu erzeugen; vielmehr muss das Kind ein Klima des Vertrauens und der Geborgenheit erfahren. Weiterhin zeigte Herr Weber die Ziele und die Möglichkeiten weiterer Interventionen zum Schutz des Kindes und der Hilfe des schützenden Bezugssystems auf.
Als letzten Punkt des Vortrages benannte er Möglichkeiten der Prävention. In diesem Zuge wies Udo Weber auf die Gelegenheit hin, sich nach der Veranstaltung über die spezialisierten Beratungsstellen zu informieren und mit Mitarbeiter*innen der hier vertretenen Beratungsstellen in Kontakt zu treten:
· Nele e.V. gegen sexuelle Ausbeutung von Mädchen
· Phönix, die Beratungsstelle gegen sexuelle Ausbeutung von Jungen
· Neue Wege - ein Programm zur Rückfallvermeidung für sexuell über- griffige gewordene Minderjährige
Im Anschluss an den fachkundigen und engagierten Vortrag und eine kleine Pause zum Austausch und Vernetzen entstand eine sehr interessierte und rege Diskussion zu dem Thema.
Es war eine rundum gelungene Veranstaltung der beiden Kammern. Wir sind sehr froh, dass Herr Weber sich bereit erklärt hat, seinen Vortrag für alle Mitglieder der PKS im internen Teil der Homepage der PKS zu Verfügung zu stellen, die an diesem Abend nicht teilnehmen konnten. Beide Kammern werden zukünftig zu diesen Themen weiter Veranstaltungen durchführen. Wir werden Sie darüber informieren.
Zurechtfinden im „neuen – alten“ Leben – Unterstützung für Kinder im Zuge der Corona-Pandemie
Normalität – was bedeutet dies nach dem letzten Jahr für unsere Kinder und Jugendlichen? Was brauchen sie um sich zurechtzufinden in dieser „neuen" Normalität und wie können wir ihnen helfen? Diesen Fragen geht Silke Wendels, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, in ihrem Text nach. Eine Idee ist die Einrichtung eines runden Tisches „Kinder/ Jugendliche und Corona“, der sich mit der Verarbeitung, Auseinandersetzung und Zukunftsorientierung für junge Menschen befassen soll.
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Seit März 2020 waren wir alle unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt. Lockdown, Home Office, Ängste um die Gesundheit unserer Lieben oder uns selbst, die Arbeit. Dazu kam die bis dahin für viele in unserem Land unbekannte allgemeine Krisenstimmung.
Dabei und dazwischen Kinder und Jugendliche aller Altersstufen und hier zähle ich auch die noch jungen Erwachsenen bis Mitte 25 dazu, die in ihren Ausbildungssettings ebenso betroffen waren und sind wie die Schulkinder und Kindergartenkinder.
Von heute auf Morgen gab es nicht mehr die gewohnten Alltagsstrukturen durch Schule, Kindergarten, Ausbildung oder Uni. Die Eltern mussten im ersten Lockdown und auch danach vieles auffangen und dabei selbst im Umgang mit der eigenen Betroffenheit leben. Man bekommt Übung, dennoch bleibt es anstrengend und zeigte sich zermürbend im Verlauf.
Lange Zeit war der Fokuswenig gerichtet darauf, welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung unserer Zukunft haben würde – die Kinder und Jugendlichen. Immer wieder mal gab es Vorstöße oder Versuche, den Fokus auf diese zu lenken, jedoch in meinem Empfinden ohne nennenswerten Erfolg.
Dies verändert sich gerade, wenn man sich die unterschiedlichen Angebote und initiativen Ideen für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen nach dem letzten schwierigen Jahr anschaut. Man hat gemerkt, welche Auswirkungen diese Zeit hatte und hat. Schulisches Aufholen, soziale Kontakte, Vereinsleben und – nicht zu vergessen – die erschreckende Entwicklung hinsichtlich des Medienkonsums. Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen unserer Zukunft, für die wir Sorge tragen, mehr Aufmerksamkeit schenken, sie sehen, ihre Nöte und Bedürfnisse ernst nehmen und nach Wegen suchen, um diese zu erfüllen. Auch Möglichkeiten, das letzte Jahr zu verarbeiten und zurück zu finden in eine neue Normalität, da wir das letzte Jahr nicht ungeschehen machen können. Die immens vermehrte Nachfrage nach ambulanter Psychotherapie zeigt deutlich, dass es der Unterstützung bedarf, sich wieder zurechtzufinden im „neuen – alten“ Leben.
Vor diesem Hintergrund ist die Idee eines runden Tisches Kinder/ Jugendliche und Corona entstanden, der den Fokus auf verschiedene Aspekte der Verarbeitung, Auseinandersetzung und Zukunftsorientierung für Kinder und Jugendliche richten soll.
In einem Expertengremium mit Vertreter:innen unterschiedlicher Institutionen im Saarland (u.a. PTK-Saar, Kinderschutzbund, Landesjugendamt, LPH – die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) soll im weiteren Verlauf des Jahres 2021 und darüber hinaus eine Veranstaltungsreihe entstehen, die diesen Belangen Raum gibt, wo es ermöglicht wird, sich auseinandersetzen und all das zu reflektieren, wo es in unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen (je nach Institution) um die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen geht. Daneben soll es Raum geben für die fachliche Auseinandersetzung mit der Thematik, damit wir gewappnet sind, falls wieder solche Szenarien auftauchen sollten: Was braucht es dann und wie schaffen wir es dennoch eine Umgebung zu bieten in der Kinder und Jugendliche sich gut weiterentwickeln und gefördert werden können, mit den für sie spezifischen und altersabhängigen Bedürfnissen?
Wir sind für Anregungen und Interesse offen und dankbar, verschiedene Interessensbekundungen wurden bereits an uns herangetragen, und wir freuen uns über weitere. Im Sinne einer guten Vernetzung freut uns die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen zum Wohle der Kinder und Jugendlichen. Dieses vernetzte Arbeiten sehe ich wegweisend für unseren weiteren Weg durch den Dschungel an bestehenden und kommenden Anforderungen für alle „Systeme“, die im weitesten Sinne mit Erziehung und Bildung für Kinder und Jugendliche betraut sind, um eine möglichst gute Perspektive zu bieten. Wir sollten aus dem letzten Jahr lernen und nach dem Motto „be prepared“ unserer Verantwortung für unsere Zukunft (die Kinder und Jugendlichen) dauerhaft Beachtung schenken.
Sobald die Veranstaltungsplanung konkret ist, werden wir Sie informieren. Behalten Sie das Thema im Blick in unseren Newsletter und unter www.ptk-saar.de